Mittwoch, 11. November 2009

Das weiße Band



"Ein Dorf im protestantischen Norden Deutschlands. 1913/14. Vorabend des Ersten Weltkriegs. Die Geschichte des vom Dorflehrer geleiteten Schul- und Kirchenchors. Seine kindlichen und jugendlichen Sänger und deren Familien: Gutsherr, Pfarrer, Gutsverwalter, Hebamme, Arzt, Bauern - ein Querschnitt eben. Seltsame Unfälle passieren und nehmen nach und nach den Charakter ritueller Bestrafungen an. Wer steckt dahinter?"

Als nach dem Abspann von Michael Hanekes neuem Film das Licht angeht und immer heller wird, bleiben wirklich alle Besucher des Kinos für eine gefühlt unendlich lange Zeit sitzen, schweigend, vor Ehrfurcht oder Verstörung.  Dann, wie auf Kommando, geht das Schweigen über in eine Lärmkullisse aus Spekulationen über das offene Ende des Filmes, Meinungen zur Ästhetik und Thematik von Hanekes Film, der in diesem Jahr in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde.

Leichte Unterhaltung sind die Filme Hanekes nun wirklich nicht, Aggression, Gewalt und eine unheimliche und bedeückende Grundstimmung ziehen sich so auch durch "Das weiße Band".
Der Regisseur selbst begreift seit jeher seine Filme als eine Art "Sprungschanze", der Regisseur kann dem Publikum eine Schanze zur Verfügung stellen, spingen müssen die Zuschauer jedoch selbst. Dieses Konzept wird besonders deutlich durch das offene Ende, alles wird ein-, nichts ausgeschlossen. Der Raum für Spekulationen und Interpretationen erstreckt sich ins Unendliche und so wird dieser Film zu etwas großem, was einen noch länger als 144 Minuten beschäftigen wird.

Besonders beeindruckend fand ich die schauspielerischen Leistungen der Kinder, besonders Thiebalt Sérié und Leonard Proxauf, die sich neben einem ebenfalls fantastischen Burghart Klaussner nicht zu verstecken brauchen.

Dieser Film ist nicht ganz Horror-, nicht ganz Gesellschaftsfilm, sonderner vereint alles. Der Zuschauer ist angehalten ständig wachsam zu sein und zu reflektieren. Was passiert gerade, was bedeutet dies, inwieweit entspricht dies der Realität und gibt es parallelen zwischen der gezeigten Wilhelminischen Gesellschaft 1913/14 und unserem Leben?
Haneke schafft es also, sein Ziel, "das Misstrauen des Zuschauers [zu] nähren" zu erreichen und daher ist dieser Film für alljene, die Freude an anspruchsvoller Unterhaltung, dem Entschlüsseln von Rätseln und dem Herstellen von Zusammenhängen haben, absolut zu empfehlen!

Gleich zu Beginn des Filmes gibt der Erzähler Anlass zur Reflexion und zum Weiterdenken:
"Ich weiß nicht, ob die Geschichte, die ich ihnen erzählen will, in allen Details der Wahrheit entspricht. Vieles weiß ich nur vom Hörensagen..."



0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.